Die Bedeutung der Aussprüche und Überlieferungen des Propheten des Islams, Muhammad (s.a.s.), ganz zu schweigen von ihren allgemeinen moralischen Werten, kann man erst dann völlig abschätzen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das gesamte religiöse, moralische, soziale und politische System von nahezu einem Drittel der Menschheit auf dem Qur’an, dem Wort Gottes und den Aussprüchen und Taten (oder der Sunna) (2) des Propheten Muhammad (s.a.s.) beruhen.
Die Lebensweise des Propheten Muhammad (s.a.s.) und seiner Aussprüche gelten als authentische Interpretation des Qur’an und ergänzen diesen. Die Bedeutung der Aussprüche und Taten des Propheten Muhammad (s.a.s.) und ihr Unterschied zu denen anderer Religionsführer besteht darin, dass Zitate anderer Führer zwar verehrt oder bewundert werden, ihre Durchsetzung jedoch aufgrund fehlender Sanktionsmöglichkeiten zu wünschen übrig lässt, während Überlieferungen und Lebensweise (Sunna) des Propheten des Islams (s.a.s.) bereits Gesetzeskraft erlangt haben. Ein Gläubiger mag zwar die Zuverlässigkeit einer bestimmten Aussage oder Sunna in Frage stellen, wenn ihre Echtheit allerdings erst einmal nachgewiesen ist, wird sie für ihn so verbindlich wie ein Qur’anvers.
Der Qur’an ist mit den Überlieferungen und der Sunna des Propheten (s.a.s.) Quelle der Schari’a (3) oder der islamischen Rechtsprechung. Der Qur’an ist das Wort Gottes, das dem Propheten Muhammad (s.a.s.) offenbart wurde. Er ist für Muslime jeglicher Ausrichtung, die unbestrittene Hauptquelle und oberste Autorität des religiösen und zivilen Rechts, sowie des Strafrechts. Der Prophet Muhammad (s.a.s.) ist der letzte Gesandte Allahs und seine Botschaft ist die letzte Botschaft Allahs, des Allmächtigen, an Seine Diener. Nach ihm wird es keinen weiteren Propheten geben. Daher offenbarte ihm Allah nicht nur Seine abschließende Botschaft, Er ließ ihn auch zum perfekten Vorbild für die Menschen werden und beauftragte ihn, letzter Gesandter, Warner und Führer für die Menschheit zu sein. Der Prophet (s.a.s.) verband in sich das Beste an Moral und guten Manieren und war die echte Verkörperung dessen, was der Qur’an im folgenden Vers predigt und festlegt: (Ihr habt fürwahr im Gesandten Allahs ein schönes Vorbild… ) (Sure 33:21)
Der Prophet Muhammad (s.a.s.) war ein perfektes Vorbild, dem nachzueifern und zu folgen ist; mit anderen Worten: Er war ein “lebender Qur’an”. Jeder Aspekt, jede seiner Taten, sein Verhalten im Kreis der Familie und außerhalb, wurde bis ins kleinste Detail aufgezeichnet und bewahrt, damit es als Leitschnur und Vorbild für die Menschheit diene. Der große indische Führer Mahatma Gandhi schreibt in seinem Vorwort zu Sir Abdullah al-Ma’mun al-Suhrawardy’s, -The Sayings of Muhammad-: Sie, (die Aussprüche) gehören zu den Schätzen der Menschheit, nicht nur zu denen der Muslime. Graf Leo Tolstoi, der berühmte russische Schriftsteller und Denker, schätzte und pries die erhabene Persönlichkeit Muhammads (s.a.s.) durch dieses Buch, das die Aussprüche des Propheten (s.a.s.) enthielt und das er immer bei sich trug. Eine Ausgabe dieses Buches fand man in dem großen Ausgehmantel in den er sich gehüllt hatte, bevor er sich zu seinem letzten Spaziergang durch die von ihm bestellten Felder aufmachte. Der Qur’an ist zweifellos die Hauptquelle des islamischen Rechts. Manche Fälle jedoch, die nicht ausdrücklich durch den Qur’an festgelegt wurden, können gelöst werden, indem man auf Worte oder Taten des Propheten (s.a.s.), oder auf Worte oder Taten seiner Gefährten, die von ihm gebilligt wurden, Bezug nimmt. Taten und Worte des Propheten (s.a.s.) wurden von seinen Familienangehörigen und Gefährten aufmerksam gehört und beobachtet; sie merkten sich jedes Wort und jede Tat und überlieferten es unversehrt den folgenden Generationen. Sie gingen zu Recht davon aus, dass jedes Wort das er sprach und jede seiner Handlungen, von Allah inspiriert wurden. Dieser Glaube wird auch durch den Qur’an bekräftigt, in dem es heißt: (Der an Kraft Mächtige hat ihn gelehrt… ) (Sure 53:5) und:
( Wahrlich, diejenigen, die dir gegenüber den Treueschwur ablegten, haben fürwahr Allah Treue geschworen. Die Hand Allahs ist über ihren Händen.) (Sure 48:10)
Im Hinblick auf die Bedeutung der Ansprachen und Aussprüche des Propheten (s.a.s.) für unser heutiges Handeln ist es notwendig, dass ein Muslim sein Wissen aus dem Qur’an durch Aussprüche des Propheten (s.a.s.) ergänzt. Tatsache ist, dass der Qur’an, im Gegensatz zu Hadithen und Sunna, das Wort Allahs ist. Beide sind in der Sprache des Propheten (s.a.s.), unterscheiden sich jedoch im Stil; und wer sich in der arabischen Sprache auskennt, kann sie anhand ihrer Ausdrucksweise auseinanderhalten. Der Qur’an ist zweifelsohne ein unübertreffliches und einzigartiges Meisterwerk. Niemand kann ihn nachahmen, oder auch nur eine einzige Zeile wie ihn hervorbringen, also eine offene Herausforderung, die in den letzten 1400 Jahren unbeantwortet blieb. Der Qur’an ist ein lebendes Wunder und ein Beweis für die Wahrheit und Wahrhaftigkeit des Prophetentum Muhammads (s.a.s.) und des Islams. Nichtsdestoweniger übertrifft auch der Stil der Überlieferungen jedes andere literarische Werk in Aufbau und Redegewandtheit, auch wenn es in keiner Weise an den Stil des Qur’an heranreicht. Sie werden als hervorragend klassifiziert und stellen einen ausgezeichneten Beitrag arabischer Literatur dar. Nach dem Qur’an spielen Hadithe (Überlieferungen) und Sunna des Propheten (s.a.s.) eine sehr wichtige Rolle für die Entstehung und Entwicklung des Rechts der islamischen Schari’a. Sie werden als Grundprinzipien des muslimischen Glaubens betrachtet und enthalten unerschöpfliches Material und Leitlinien für alle Lebenslagen der Muslime. Daher wäre es schwer für einen Muslim, die Probleme des Lebens ohne eine gewisse Kenntnis von Überlieferungen und Sunna anzugehen und seine Rechte und Pflichten im Alltagsleben zu kennen.
Überlieferungen und Sunna enthalten Stoff zu allen Lebenslagen und sie sind wirklich ein Schatzkästchen guter Manieren und ausgezeichneter Sittlichkeit, zur Vervollkommnung spirituellen und materiellen Lebens eines jeden Menschen. Das Ziel eines Muslims, um Erfolg und Heil im Diesseits und Jenseits zu erlangen sollte es daher sein, in die Fußstapfen des Propheten (s.a.s.) zu treten. Allah fordert uns in einem Qur’anvers auf: ( Wenn ihr Allah (wahrhaft) liebt, so folgt mir, dann wird Allah euch lieben… ) (Sure 3:31)
Sammlung und Bewahrung der Aussprüche des Propheten Muhammad (s.a.s.):
Nun einiges über Sammlung und Bewahrung dieser Überlieferungen und der Sunna. In der vorislamischen arabischen Gesellschaft gab es kaum drei Dutzend Mekkaner, die lesen und schreiben konnten. In dieser Zeit war die systematische Buchherstellung oder jegliche Publikationsbranche unbekannt. Der ungarische Orientalist Ignaz Goldziher schreibt: Die Araber mochten nicht lesen und schreiben und waren bei der Wiedergabe völlig von ihrem bemerkenswerten Erinnerungsvermögen abhängig. Professor Nicholson schreibt in seinem Buch – Eine Literaturgeschichte der Araber-: Schreiben wurde von den Arabern spärlich gebraucht und die vorislamische Dichtkunst, die einen ausgezeichneten Standard erreicht hatte, wurde nur durch mündliche Überlieferung bewahrt. Dieser Zustand begünstigte das Entstehen einer Berufsgruppe, die ihr Erinnerungsvermögen zu einem einträglichen Geschäft machten. Einer dieser Berufsüberlieferer, Hammad (4), behauptete und bewies, dass er zu jedem Buchstaben des Alphabets 100 lange Gedichte, die sich auf den jeweiligen Buchstaben reimten, rezitieren konnte. Er versicherte weiter, 27.000 Gedichte auswendig zu kennen. Abu Zamzam, ein anderer Überlieferer, rezitierte einmal Gedichte von 100 Dichtern, die den Namen ‘Umar’ trugen. Ein weiterer Berufsüberlieferer, Rawiya, betonte, er könne einen Monat lang fortlaufend Gedichte vortragen, ohne irgendetwas zu wiederholen. Interessant ist es, ein jüngeres Beispiel anzuführen: Hasan al Banna (5), berühmtes ägyptisches Genie und Gelehrter, wurde einmal aufgefordert, einige Reimpaare aus einem bestimmten Diwan (6) zu rezitieren. Daraufhin verlas er aus dem Stehgreif 1000 Reimpaare aus jenem Diwan und sagte, er könne sogar noch mehr nennen. Ebenso kannte er auch die Namen von 300 000 Mitgliedern der Muslimbruderschaft auswendig.
Anfangs wurden die Gewohnheiten des Propheten (s.a.s.) und seine Sunna von seinen Familienangehörigen und Gefährten, die ihm sehr nahe standen und das Privileg genossen, ständig in seiner Gesellschaft zu sein, auswendig gelernt. Daher waren diese Menschen besser in der Lage, die Handlungsweise dieser ausgezeichneten Persönlichkeit hören und miterleben zu können.
Die Sammler und Überlieferer der Überlieferungen und der Sunna waren äußerst fromme Menschen von ausgezeichneter und unnachahmlicher Charakterstärke. Diese ehrenhaften und gottesfürchtigen Menschen pflegten die Überlieferungen und Sunna des Propheten (s.a.s.) entweder aufzuschreiben oder im Gedächtnis zu behalten. Als Hadithe und Sunna immer stärker Verbreitung fanden, wurden sie von denjenigen, die sie kannten und sich an sie erinnerten, auf verschiedenen öffentlichen Plätzen, in Moscheen und auf Versammlungen erzählt. Obwohl eine ganze Menge von Überlieferungen wiedergegeben wurden, bewahrten enge Anhänger des Propheten (s.a.s.) eine beträchtliche Anzahl von Überlieferungen im Gedächtnis.
Infolge politischer Rivalitäten unter den Anhängern ‘Alis und Mu’awiyas, begann nach einiger Zeit jede der beiden Gruppen Aussprüche, Gebote und Anweisungen des Propheten (s.a.s.) zu erfinden, um ihren Standpunkt zu verteidigen. Gleichzeitig erfanden Heuchler und Feinde des Islam gefälschte Überlieferungen und falsche Berichte über Leben und Botschaft des Propheten (s.a.s.). Sie vermischten zahlreiche gefälschte Überlieferungen mit wahren. Um diesen Betrug einzuschränken, hielten es muslimische Gelehrte und Theologen für notwendig, sich eine Methode auszudenken, mit der gefälschte und falsche Berichte nachgeprüft und wahre Überlieferungen von falschen ausgesondert werden konnten. Im Jahre 101 nach der Hidschra ordnete der fromme und tugendhafte Kalif ‘Umar ibn Abdul-‘Aziz (717-720) an, dass einige gelehrte Theologen (‘Ulama’) die echten Überlieferungen herausfinden sollten. Diese Gelehrten entwarfen Regeln, nach denen die Quellen der Überlieferungen und die biographischen Daten der Überlieferer, unter besonderer Berücksichtigung ihrer religiösen Ansichten, festgestellt werden sollten. Aus ihren Bemühungen gingen Entstehung und Entwicklung kritischer Wissenschaften, wie ‘Ilm ul Hadith, ‘Ilm ur-Ridschal und ‘Ilm ul-Asma’ (7) hervor. Infolgedessen wurde jegliche Überlieferung ernsthaftester Prüfung und Nachforschung unterworfen, was ihre Sprache, Stil, Form, Abfassung und Vokabular betrifft. Dann wurden Gedanke oder Gegenstand der Überlieferung minutiös geprüft, was ihre Übereinstimmung mit dem Qur’an und anderen Überlieferungen, sowie ihre Bedeutung zu anderen gesicherten historischen Fakten betrifft. Inhalt oder Gegenstand wurden außerdem auf Einsicht und Vernunft hin überprüft. Schließlich wurde jedes Glied der Überliefererkette (Isnad) genauesten Prüfungen hinsichtlich der historischen Richtigkeit und Bestätigung unterworfen, in Übereinstimmung mit den im ‘Ilm ur-Ridschal zugrunde gelegten Prinzipien, oder der kritischen Prüfung der kleinsten Details des persönlichen Lebens tausender von Gefährten und Zeitgenossen des Propheten (s.a.s.). Dies ist die Vorgehensweise bei einer Überprüfung, die von muslimischen Gelehrten vor über 1000 Jahren entwickelt wurde, um die Zuverlässigkeit etc. einer historischen Begebenheit festzustellen. Zu jener Zeit wussten die westlichen Länder über diese hochentwickelten Kunst- und Wissenschaftszweige noch überhaupt nichts. Diese islamische Kritik oder Prüfung war eine objektive und wissenschaftliche Textforschung von einzigartiger und beispielloser Art, wie sie die Welt bis dahin noch nie gesehen hatte und wahrscheinlich auch nie wieder sehen wird.
Infolge der Forschung und Arbeit jener gelehrten Theologen (‘Ulama’), wurden viele Standardwerke, die sich mit dem Leben der Überlieferer, insbesondere ihrem Charakter und ihrem Verhalten im Alltagsleben und ihrem Leumund beschäftigten, geschrieben und veröffentlicht. So wurden Erzählstil der Überlieferer und Gegenstand der Überlieferung vollständig überprüft. Unter den ehrwürdigen Überlieferern oder Sammlern, die systematisch nach dieser Methode arbeiteten, waren Ibn Schihab az-Zuhari und Abu Bakr ibn Hazm (8). Einen Eindruck von der Sorgfalt und der Arbeitsweise, die für die Sammlung und Sichtung von Überlieferungen aufgewandt wurde, kann man aus den folgenden Beispielen gewinnen: Abu Ayyub Khalid al-Ansari reiste beispielsweise von Medina nach Ägypten, nur um eine einzige Überlieferung zu sammeln; ebenso handelte Dschabir ibn Abdullah, der einen Monat auf einer Reise verbrachte, um ein Hadith von Abdullah ibn Anas zu erhalten. Ein anderer Sammler von Überlieferungen erfuhr, dass eine bestimmte Person eine Überlieferung wusste. Demzufolge reiste er weit, um diese Person zu treffen. Als er seinen Bestimmungsort erreichte, stellte er Nachforschungen über die besagte Person an. Jemand wies auf diese Person, die gerade ihr weggelaufenes Lasttier einfangen wollte, indem sie ihm einen leeren Eimer zeigte, als ob sie für das Tier etwas zu essen hätte. Als der Sammler sah, wie die Person auf diese Weise ein Tier köderte, dachte er, dass eine solche Person nicht zuverlässig genug sei und folglich ihre Version eines Hadiths nicht akzeptiert werden könne und er kehrte heim, ohne mit der besagten Person gesprochen zu haben.
Im 2.Jahrhundert nach der Hidschra (9.Jahrhundert n. Chr.) und danach arbeitete eine große Zahl von Hadith-Wissenschaftlern in diesem Bereich und hinterließ wertvolles Dokumentationsmaterial ihrer wunderbaren Forschungsarbeit und der Kodifizierung von Überlieferungen. Unter diesen Lumineszenzen waren Abu Dschuraidsch in Mekka, Imam Malik in Medina, Imam Sufyan ath-Thauri in Kufa, Imam Hammad ihn Salama in Basra, Imam Abdullah ihn Mubarak in Khorasan, Imam Al-Auza’i in Syrien und Imam Abu Hanifa im Iraq. Imam Abu Hanifa (699-767 n.Chr.) gilt als Begründer der hanafitischen Rechtsschule, Imam Malik (715 – 795) als Gründer der malikitischen, Imam Asch-Schafi’i (767-820) als Gründer der schafi’itischen und Imam Ahmad ihn Hanbal (780 – 855) als Gründer der hanbalitischen Rechtsschule.
Die bis dahin geleistete Arbeit des Sammelns und der Kodifizierung von Überlieferungen war nicht sehr umfassend. So enthielt beispielsweise das Buch Al-Muwatta’ von Imam Malik lediglich 1700 Aussprüche des Propheten (s.a.s.), die nur wenige Themen behandelten wie Gebet, Fasten, Zakat, Pilgerfahrt etc.. Daher wurde es für notwendig erachtet, solche Sammlungen umfassender und repräsentativer zu gestalten, indem alle Themenbereiche mit aufgenommen und ihr Umfang ausgeweitet wurde, um die gesamte muslimische Welt mit einzuschließen. Um dieses Ziel zu erreichen, betrieben hervorragende Wissenschaftler wie Imam Muslim (gest. 181 n.H. 875 n.Chr.) und Imam Al-Bukhari (gest. 256 n.H. 870 n.Chr.) in größerem Ausmaß auch minutiöskritische Überlieferungsforschung.
Das Hauptmerkmal dieser Arbeit war es, jeder Überlieferung eine lückenlose Reihe ihrer Überlieferer oder Gewährsleuten hinzuzufügen, die bis zum ursprünglichen Erzähler zurückreicht. Daneben wurden sehr gründliche und detaillierte Untersuchungen angestellt über den moralischen Charakter, die Aufrichtigkeit, religiöse Ansichten und Gedächtnisvermögen eines Überlieferers. Al-Bukhari verwandte viel Aufmerksamkeit auf die sorgfältige Prüfung einer jeden Überlieferung und das Herausfinden der zuverlässigsten unter tausenden von Überlieferungen, die in Umlauf waren. Aus einer Masse von 600 000 Überlieferungen die ihm zur Verfügung standen, wählte er nur 7275 aus und übernahm sie in sein Buch Sahih Al-Bukhari, welches ein Meisterwerk an Forschungsgelehrsamkeit und harter Arbeit ist. Ähnlich wählte Muslim nur 9200 Überlieferungen aus 300 000 aus. Die Sammlungen der Imame Al-Bukhari und Muslim werden von den Muslimen besonders geschätzt und folgen in ihrer Bedeutung dem Qur’an.
Ergänzt wurden diese beiden Bücher durch vier weitere Sammlungen, nämlich die Sunan von Imam Abu Dawud (gest. 275 n.H. 889 n.Chr.), Imam At-Tirmidhi (gest. 279 n.H. 892 n.Chr.), Imam Ibn Madscha (gest. 273 n.H. 886 n.Chr.) und Imam An-Nasa’i (gest. 303 n.H. 915 n.Chr.). Neben diesen ist auch die Sammlung von Imam Ahmad ibn Hanbal (gest. 241 n.H. 855 n.Chr.) sehr wichtig.
Diese Sammlungen von Aussprüchen und Berichten des Propheten (s.a.s.), sind neben ihren religiösen und moralischen Werten, die zuverlässigste und genaueste Wiedergabe von Ereignissen und Vorkommnissen aus den frühen Tagen des Islam. Sie bieten Historikern und Biographen sehr nützliches Quellenmaterial. Der ungarische Gelehrte lgnaz Goldziher bemerkt im zweiten Band seines Buches Muhammedanische Studien, dass diese Überlieferungen viel Licht auf die Entwicklung und Ausbreitung des Islam in seinen frühen Phasen und auf die politischen, sozialen und regionalen Bewegungen dieser Zeit werfen.
Die Sammlungen von Hadithen sind so umfangreich und voluminös, dass es nicht jedermann möglich ist sie zu lesen, zu verstehen, oder gar danach zu handeln. Daher wurde es notwendig, einen zusammengefassten Band zusammenzutragen, der wichtige und ausgewählte Überlieferungen für diejenigen enthält, die nicht genug Zeit finden, die umfangreichen Bände zu lesen. Ein solches Buch ist das Werk Riyad-us-Salihin (oder “Gärten der Tugendhaften”) des Gelehrten und Überlieferers Imam Muhyid-Din Abu Zakariya Yahya ihn Scharaf an-Nawawi, der aus Nawa in Syrien stammte und von 631 – 676 n.H. (1233 – 1278 n.Chr.) lebte. Imam An-Nawawi hat sich bemüht, an die 1900 Überlieferungen von Al-Bukhari, Muslim und ein paar anderen Hadith-Standardwerken, wie Al Muwatta’ von Imam Malik auszuwählen und ordnete diese Überlieferungen nach verschiedenen Themen. Der gebildete Autor ergänzte diese Überlieferungen mit passenden Versen aus dem Qur’an, die er zu Beginn eines jeden Kapitels, das Überlieferungen zu einem bestimmten Thema enthält, aufführt. Dies verschafft dem Leser einen ungeheuren Respekt und bekräftigt die Auffassung, dass die Überlieferungen und Anmerkungen, Ergänzungen zum Qur’an darstellen. Im arabischen Originaltext werden einige Punkte die zu mehr als einem Kapitel gehören, wiederholt. In der vorliegenden Übersetzung wurden solche Wiederholungen ausgelassen.
Das vorliegende Werk ist eine wortgetreue Übersetzung der arabischen Ausgabe. Es wurde darauf geachtet, den Originaltext so genau wie möglich wiederzugeben.
Imam An-Nawawi hat zahlreiche Bücher geschrieben, besonders über Überlieferungen und Kommentaren zu Riyad-us-Salihin. Jedoch ist dieses Buch eines seiner wichtigsten, sehr nützlich und allgemein verständlich. Die vergangenen Jahrhunderte hindurch diente es muslimischen Gelehrten (‘Ulama’) und Theologen als Leitschnur und als Handbuch nützlicher Informationen und half ihnen dabei, den Islam und seine Glaubensausübung zu predigen. Da das Originalwerk auf Arabisch geschrieben ist, war es für eine große Anzahl von nicht-arabischsprachigen Muslimen nicht möglich, irgendeinen Nutzen daraus zu ziehen. Obwohl jetzt viele Übersetzungen solch nützlicher Bücher in anderen Sprachen wie Urdu, Türkisch und Persisch zur Verfügung stehen, gibt es noch nicht viele in Englisch und anderen Sprachen, die im Westen gesprochen werden. Diese deutsche Übersetzung des Riyad-us-Salihin richtet sich nun an die deutschsprachigen Menschen, (9) besonders an die Muslime. Dieses Buch wird ebenfalls der jungen Generation von Muslimen und den neuen Brüdern und Schwestern im Islam, die in Europa, Amerika und anderen Teilen der Welt leben, von großer Hilfe sein und ihnen ermöglichen, ihr Leben in Übereinstimmung mit der islamischen Sittenlehre zu gestalten. Man sollte nicht vergessen, dass echte islamische Erziehung die Aufmerksamkeit für die Bedeutung und den Wert des Lebens weckt, sie belebt und leitet, in all ihrer Arbeit. Islam ist eine in jeder Hinsicht vollkommene Religion und das letzte Wort Allahs, des Allmächtigen. Er ist eine klare und systematische menschliche Philosophie, eine natürliche Lebensweise und ein praktischer Glaube. Die in nicht-muslimischen Ländern lebenden Muslime, sehen sich einer Anzahl von Problemen gegenüber; sie leben nicht nur in einer fremden Umgebung, sondern sind umgeben von unislamischen und fremden Sitten und Gebräuchen. Das Leben in diesen Ländern ist ohne Zweifel aufregend und interessant, doch ist es insgesamt eine Täuschung. Letztlich führt sie zu Frustration, Mutlosigkeit und Verderben. In einer solchen Lage ist es sehr schwer für einen Muslim, seine islamische Identität aufrecht zu erhalten, wenn er nicht entsprechend in islamischen Umgangsformen und islamischer Lebensweise gerüstet und unterwiesen ist.
Wir hoffen, dass dieses Buch diesen Muslimen helfen wird, ihren muslimischen Charakter zu bewahren, gleich, was andere um sie herum tun mögen.
5. Januar 1983 S.M. Madni Abbasi
(1) Diese Einführung ist eine Übersetzung des Vorwortes zur englischsprachigen Übersetzung von S.M. Madni Abbasi, New Delhi, 1984.
(2) Unter Sunna versteht man die echten verbalen Äußerungen (Hadith), Bestätigungen und Handlungen des Propheten Muhammad (s.a.s.).
(3) Unter Schari’a versteht man das islamische Rechtssystem.
(4) Hammad ibn Adschrad (gest. 773 n.Chr.) war der größte Überlieferer vorislamischer Dichtung und Lehrer der großen Überlieferer aus Kufa und Basra.
(5) Hasan al-Banna, der Gründer der Muslimbruderschaft, wurde 1906 geboren. Er starb 1949 durch einen Mordanschlag der ägyptischen Geheimpolizei.
(6) Diwan ist eine Sammlung von Gedichten.
(7) Dies sind die klassischen Hadith-Wissenschaften, die sich mit der Erforschung des Inhalts der Hadithe, ihren Überlieferern und deren Zuverlässigkeit beschäftigen.
(8) Ibn Schihab az-Zuhari war nach Ibn Hadschar, der die Hadith-Überlieferer in zwölf Klassen aufgliederte, ein wichtiger Überlieferer der vierten Klasse. Abu Bakr ihn Hazm war ein berühmter andalusischer Gelehrter, Literat, Jurist und Politiker; gest. 1064 n.Chr.
(9) Im Vorwort zur englischsprachigen Übersetzung heißt es: Diese englische Übersetzung des Riyad-us Salihin richtet sich nun an die englischsprachigen Menschen…