Einleitung
Allah (t) ist der Schöpfer aller Menschen. Er ist auch der beste Richter. Die letzte Abrechnung für alle Menschen, sowohl für diejenigen, die Gutes getan haben, als auch für diejenigen, die Böses begangen haben, wird am Tage des “Jüngsten Gerichts” stattfinden. Das wird ein Tag von gegenseitigem Verlust und Gewinn unter den Menschen sein. Ertrage Unglück mit Geduld. Verliere nicht die Hoffnung; denn Allah (t) prüft dich dadurch. Gehorche Allah und betrachte deinen Wohlstand und deine Kinder als eine Prüfung für dich; deshalb gedenke Allah (t) und danke Ihm für Seine Güte.
Es preist Allah, was in den Himmeln und auf der Erde ist; Sein ist das Königreich und Sein ist das Lob, und Er hat Macht über alle Dinge. (64:1)
64:1-2 – Alle Dinge in der Schöpfung preisen die Herrlichkeit ihres Herrn. (vgl. dazu 62:1) Nur der Mensch stellt hier eine Ausnahme, weil er durch seine erschaffene Natur die Willensfreiheit und die freie Entscheidung hat. Und gerade diese seine Eigenschaft unterscheidet ihn von anderen Geschöpfen Allahs. Dadurch sind beide entstanden, diejenigen, die glauben, und diejenigen, die nicht glauben (vgl. dazu 7:172).
Er ist es, Der euch erschaffen hat, aber einige von euch sind ungläubig und einige von euch sind gläubig; und Allah durchschaut das, was ihr tut. (64:2)
Siehe 64:1
Er erschuf die Himmel und die Erde in gerechter Weise, und Er gestaltete euch und machte eure Gestalt schön, und zu Ihm ist die Heimkehr. (64:3)
64:3-4 – Allah (t) hat sowohl die Himmel als auch die Erde erschaffen. Die Erschaffung des Menschen war nicht leichter als die Erschaffung des gewaltigen Universums. Nur die Schönheit in der Gestalt des Menschen ist sein Spezifikum und wurde deshalb nicht vollbracht, um ihn zu bestrafen, wie unser Prophet (a.s.s.) sagte: ”Allah hat den Menschen nicht so erschaffen und seine Gestalt so schön gemacht, um ihn als Brennstoff für das Höllenfeuer werden zu lassen.“ D.h., dass Allah (t) nicht vorhat, uns unbedingt zu bestrafen um der Bestrafung willen. Denn es sind nur wir, die durch den Ungehorsam die Bestrafung herausfordern, wie unser Prophet (a.s.s.) dies in einem anderen Hadith zum Ausdruck brachte: ”Alle Menschen werden ins Paradies gehen, und zwar mit Ausnahme derer, die es ablehnen.“ Als die Anwesenden fragten: ”Und wer wird es ablehnen, o Gesandter Allahs?“ Der Prophet sagte: ”Wer mir Gehorsam leistet, geht ins Paradies, und wer mir Ungehorsam leistet, der hat es abgelehnt!“ Die Wahrheit über Seine Schöpfung ist Allah wohl bekannt, weil Er das Offenkundige und das Verborgene kennt. (vgl. dazu 7:11; 40:64).
Er weiß, was in den Himmeln und auf Erden ist, und Er weiß, was ihr geheimhaltet und was ihr offenkundig tut; und Allah kennt alles, was in den Herzen ist. (64:4)
Siehe 64:3
Ist nicht die Geschichte von denen, die zuvor ungläubig waren, zu euch gekommen? So kosteten sie die bösen Folgen ihres Betragens, und ihnen wird eine qualvolle Strafe zuteil sein. (64:5)
64:5 – Diese Worte sind sowohl an die Götzendiener von Makka, als auch an alle Menschen zu allen Orten und Zeiten gerichtet. Im Qur’an werden besonders die ‘Ad, die Thamud, das Volk Lots und das des Pharaos erwähnt, deren Ruinen vor unseren Augen stehen. Durch die Handelskarawanen und den Tourismus unserer Zeit empfinden wir die Wirkung dieser Worte in unseren Seelen.
Dies (soll so sein), weil ihre Gesandten mit klaren Beweisen zu ihnen kamen, sie aber sagten: ”Sollen Menschen uns rechtleiten?“ Also glaubten sie nicht und wandten sich ab, doch Allah hat dies nicht nötig; und Allah ist auf keinen angewiesen, des Lobes Würdig. (64:6)
64:6 – Zu diesen Generationen, die unter der Erde liegen und ihre Ruinen vor unseren Augen ersichtlich sind (vgl. oben 64:5 und die Anmerkung dazu), wurden Gesandte mit göttlicher Botschaft und Belehrung in aller Deutlichkeit entsandt. (vgl. dazu 14:11). Die Ablehnung und der Ungehorsam dieser Generationen stellen Allah (t) keinen Schaden dar. Und ihr Gehorsam ist Ihm nicht vorteilhaft, und Er ist frei von allen Bedürfnissen und ist unter keinen Umständen von irgendetwas abhängig. (vgl. dazu 112:1ff.).
Diejenigen, die da ungläubig sind, behaupten, sie würden nicht auferweckt werden. Sprich: ”Doch, bei meinem Herrn, ihr werdet gewiss auferweckt werden; dann wird euch gewiss verkündet, was ihr getan habt. Und das ist für Allah ein leichtes.“ (64:7)
64:7 – Hier ist die Rede von den Ungläubigen in Makka zur Zeit der Offenbarung als auch von solchen zu allen Orten und Zeiten, bis zum Ende der Welt. Ihr Schöpfer schwört bei Sich Selbst und versichert ihnen die Auferstehung nach ihrem Tod, damit sie zur Rechenschaft herangezogen werden. Diese Stelle ist die dritte im Qur’an, an der Allah (t) Seinen Gesandten auffordert, bei seinem Herrn zu schwören, dass dies in Wahrheit stattfinden wird. (vgl.10:53; 34:3)
Darum glaubt an Allah und Seinen Gesandten und an das Licht, das Wir herniedergesandt haben. Und Allah ist dessen wohl kundig, was ihr tut. (64:8)
64:8 – Dieses Licht ist das Licht des Qur’an.
Der Zeitpunkt, wo Er euch am Tage der Versammlung versammeln wird – das wird der Tag des verlorenen Gewinns sein. Und wer an Allah glaubt und das Rechte tut – Er wird seine Übel von ihm nehmen und wird ihn in Gärten führen, durch die Bäche fließen, worin (sie) auf ewig verweilen. Das ist das große Glück. (64:9)
64:9-10 – Nach dem Einschub von 64:8 setzt Allah (t) die Angabe in 64:7 fort und beschreibt die Szene der Versammlung am Tage des “verlorenen Gewinns”, nach dem diese Sura genannt ist. (vgl. dazu 11:103; 18:104; 56:50). In einem Hadith erzählt der Prophet (a.s.s.) von einer Frau, die wegen einer Katze mit dem Höllenfeuer bestraft werden musste, weil sie sie eingesperrt hatte, bis sie verendete. Weder hatte sie ihr Nahrung gegeben, noch hatte sie sie freigelassen, damit sie ihre Nahrung selbst in den Gebüschen der Erde suchte. Außerdem hat der Prophet einmal seine Gefährten gefragt: ”Wisst ihr wer bankrott ist?“ Sie antworteten: ”Bankrott ist einer, der weder Dirham noch Dinar hat.“ Darauf sagte der Prophet: ”Nein, bankrott ist vielmehr derjenige, der am Tage des Jüngsten Gerichts mit Gebet, Zakah und Fasten kommt, aber diesen geschlagen, jenem Unrecht getan und einen dritten um sein Geld gebracht hatte. Dann nimmt dieser von seinen guten Taten und jener ebenfalls bis sie zu Ende gehen, dann wird von ihren Missetaten ein Teil genommen und ihm zu Last gelegt, und dann wird er ins Höllenfeuer geworfen.“ (vgl. dazu 25:70). (ÜB)
Diejenigen aber, die ungläubig sind und Unsere Zeichen leugnen, sollen die Bewohner des Feuers sein. Darin bleiben sie auf ewig; und das ist eine schlimme Bestimmung! (64:10)
Siehe 64:9
Kein Unglück trifft ein, es sei denn mit Allahs Erlaubnis. Und wer an Allah glaubt, dem leitet Er sein Herz. Und Allah weiß alle Dinge. (64:11)
64:11 – Das Unglück hat verschiedene Gesichter: Es kommt in der Form einer Naturkatastrophe, einer Hungersnot, eines Unfalls, einer Krankheit, einer Unterdrückung usw. Ähnlich davon haben die Muslime erlitten und mussten in Geduld ertragen. Nach jahrelanger Verfolgung in ihrer Heimatstadt Makka waren sie nach Al-Madina ausgewandert, wo die aufrichtigen Muslime, die sie aufnahmen, doppelte Last zu tragen hatten. Einerseits mussten sie hunderte von Auswanderern unterstützen, andererseits waren sie zur Zielscheibe von Angriffen verschiedener Feinde geworden (vgl. dazu 57:22-23). Das Unglück in seinen verschiedenen Formen ist aber nicht immer schlecht für die Gläubigen. Manchmal bringt es Vorteile, Ermahnung und Rückkehr zum rechten Weg. Unser Prophet (a.s.s.) sagte: ”Alle Angelegenheiten eines Gläubigen sind für ihn vorteilhaft: Wenn ihm etwas Gutes zuteil wird, ist er dankbar und dies ist gut für ihn; und wenn ihm etwas Schlechtes widerfährt verhält er sich geduldig, und das ist gut für ihn.“ (Bu)
Und gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten. Doch wenn ihr euch (von ihm) abkehrt, dann obliegt Unserem Gesandten nur die Pflicht zur deutlichen Verkündigung. (64:12)
64:12-13 – Der Gehorsam gegenüber dem Gesandten Allahs gilt als Gehorsam gegenüber Allah Selbst. (vgl. dazu 4:80). Die Kernaussage im Gehorsam leitet sich dem Grundsatz des Glaubensbekenntnisses: ”Es ist kein Gott außer Allah, Muhammad ist der Gesandte Allahs“. So sollen die Gläubigen auf Allah vertrauen und sich auf Seine Gebote zu ihrem eigenes Heil verlassen. (vgl. ferner 5:92).
Allah! Es ist kein Gott außer Ihm; und auf Allah sollen die Gläubigen vertrauen. (64:13)
Siehe 64:12
O ihr, die ihr glaubt, wahrlich, unter euren Frauen und Kindern sind welche, die euch feindlich gesonnen sind; so hütet euch vor ihnen. Und wenn ihr verzeiht und Nachsicht übt und vergebt, dann ist Allah Allvergebend, Barmherzig. (64:14)
64:14-15 – Allah (t), Der das Verborgene kennt, warnt vor einer Sache, die für den Menschenverstand fast unvorstellbar ist; denn der Feind lebt manchmal unter uns in denselben vier Wänden, und seine Gefahr wird katastrophal auswirken, weil er ganz nahe zu den verwundbaren Stellen der eigenen Angehörigen im selben Haushalt steht. Mit der Warnung in diesem Versblock kann eine Vorbeugung vorgenommen werden, die besser ist als Heilung, wenn ein Unglück durch die Hände von Frauen und Kindern geschieht. Dennoch werden Nachsicht und Verzeihung geboten, damit die gebotene Bindung zur Verwandtschaft und “Gebärmutter” dennoch aufrechterhalten bleibt und nicht zerreißt. Unser Prophet (a.s.s.) hielt einmal eine Rede, als seine beiden Enkel Al-Hasan und Al-Husein, die mit roten Hemden angekleidet waren, stolpernd und wackelnd in die Moschee hereinmarschierten. Er trat von der Kanzel herunter, nahm sie auf und setzte sie vor sich. Dann sagte er: ”Allah und Sein Gesandter haben die Wahrheit gesagt: “Eure Reichtümer und eure Kinder sind wahrlich eine Versuchung.” Ich schaute auf diese zwei Knaben, wie sie wackelig hereinmarschierten und konnte nicht anders, als meine Rede zu unterbrechen und sie aufzuheben.“ (Ha). Aus diesem Hadith lernen wir, wie wir unsere Kinder bramherzig und liebevoll behandeln sollen und dass die Warnung in 64:14 auf keinen Fall dazu führt, dass wir sie verwünschen oder hassen – und dies werden wir sowieso nicht tun können, weil die Liebe zu ihnen in uns angeboren ist und einen natürlichen Trieb darstellt. (vgl. dazu 2:27, 109; 8:24; 9:23-24; 13:25; 29:8; 31:14-15; 33:6; 47:22; 60:3).
Eure Reichtümer und eure Kinder sind wahrlich eine Versuchung; doch bei Allah ist großer Lohn. (64:15)
Siehe 64:14
So fürchtet Allah, soviel ihr nur könnt, und hört und gehorcht und spendet; es wird für euch selbst besser sein. Und wer vor seiner eigenen Habsucht bewahrt ist – das sind die Erfolgreichen. (64:16)
64:16 – Wenn wir diese Habsucht überwinden können, erlangen wir wahren Erfolg in Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. (vgl. dazu 2:2, 286; 3:102; 59:9).
Wenn ihr Allah ein gutes Darlehen gebt, so wird Er es euch um ein Vielfaches vermehren und wird euch vergeben; und Allah ist Dankbar, Nachsichtig (64:17)
64:17-18 – Obwohl alles in Seiner Schöpfung Ihm allein gehört, bezeichnet Allah (t) unsere Freigebigkeit als “Darlehen” an Ihn. (vgl. 14:5; 35:30). Dann dankt Er zum Schluss dieser Sura Seinen Dienern zusätzlich dafür, weil dies zu Seinen Attributen steht; denn Er ist “Dankbar, Nachsichtig”. Ist dies nicht liebevoll von Ihm zu Seinen Geschöpfen, denen Er gegenüber weder zum Dank verpflichtet noch dazu gezwungen werden kann! Ferner lehrt Er uns dadurch, wie wir mit unseren Mitmenschen angenehm umgehen können. Alles Lob gebührt Ihm für Seine Rechtleitung. (vgl. dazu 2:245; ferner den Titel: “Der Dschihad – das Gesetz von Saat und Ernte”, Islamische Bibliothek).
, der Kenner des Verborgenen und des Sichtbaren, der Erhabene, der Allweise. (64:18)
Siehe 64:17