Einleitung
Diese frühe makkanische Sure bezieht sich auf einen Vorfall, dessen Erwähnung im Offenbarungstext die vorbehaltlose Aufrichtigkeit des Propheten (a.s.s.) widerspiegelt. Der Grundsatz, den der Qur’an hier erklärt, ist der, dass die Menschen ihre Wertvorstellungen einzig aus göttlichen Anweisungen herleiten sollen und nicht aus Gegebenheiten des täglichen Lebens. Nach der Erklärung des hier ewigwährenden Grundsatzes göttlicher Offenbarung werden in dieser Sure die Gnadenerweise Allahs dem Menschen gegenüber erläutert und die Folgen eines guten oder schlechten Lebens auf aufgezeigt. (ÜB)
Er runzelte die Stirn und wandte sich ab (80:1)
80:1-12 – Er, der Prophet Muhammad, runzelte die Stirn und wandte sich ab von einem Mann, der sein Gesicht nicht sehen konnte, weil er blind war. Allah aber sieht und hört alles und hat Sich sofort in einer Tadelsform gegen Seinen Propheten – ohne seinen Namen zu nennen – eingesetzt, um ein Unrecht für allemal in der Menschheit zu beenden. Die qur’anische Zurechtweisung deutet an, dass das, was bei einem gewöhnlichen Menschen nur eine Unhöflichkeit von geringer Bedeutung gewesen wäre, den Aspekt einer ernsthaften Verfehlung, die den göttlichen Tadel verdient, annehmen müsste, wenn es sich um eine vom Propheten begangene Tat handelte. Es handelt sich beim historischen Hintergrund dieser Offenbarung um den blinden ‘Abdullah Ibn Umm Maktum, der den Propheten (a.s.s.) aufsuchte, um sich von ihm Auskunft über Glaubensfragen zu erlangen, während dieser (der Prophet) sich mit Stammesoberhäuptern der Götzendiener beschäftigte, und zwar mit der Hoffnung, diese für den Islam zu gewinnen. In diesem wichtigen Augenblick kam der blinde ‘Abdullah und, weil er nicht sehen konnte, in welcher Lage sich der Prophet befand, zog am Ärmel des Propheten, dass dieser über seine Art und Weise erbost war und seine Stirn runzelte. Für einen blinden, hilflosen Mann kam sofort die Botschaft des Erhabenen Gottes, um ihn und seine Artgenossen zu allen Orten und Zeiten vor menschlicher Willkür zu schützen. In späteren Jahren geschah es, dass der Prophet den blinden ‘Abdullah Ibn Umm Maktum mit den Worten grüßte: ”Ein herzliches Willkommen gebührt dir, um dessentwillen mein Herr mich zurechtgewiesen hat!“ (ÜB) Dieser Versblock liefert den Beweis für die Echtheit dieser Botschaft. Wäre der Qur’an von Muhammad, Allahs Segen und Friede auf ihm, selbst geschrieben – wie manche Orientalisten behaupten – so hätte er keine derartigen scharfen Zurechtweisungen gegen sich selbst gerichtet, die gewöhnlich einen Menschen in Misskredit bringen und ihm nur Nachteile in der Gesellschaft verursachen würden. (vgl. dazu 53:3).
, als der blinde Mann zu ihm kam. (80:2)
Siehe 80:1
Was lässt dich aber wissen, dass er sich nicht reinigen wollte (80:3)
Siehe 80:1
oder dass er Ermahnung suchte und ihm somit die Lehre nützlich würde? (80:4)
Siehe 80:1
Wer aber es nicht für nötig hält (80:5)
Siehe 80:1
, dem kommst du (bereitwillig) entgegen (80:6)
Siehe 80:1
, ohne dir etwas daraus zu machen, dass er sich nicht reinigen will. (80:7)
Siehe 80:1
Was aber den anbelangt, der in Eifer zu dir kommt (80:8)
Siehe 80:1
und gottesfürchtig ist (80:9)
Siehe 80:1
, um den kümmerst du dich nicht. (80:10)
Siehe 80:1
Nicht so. Wahrlich, dies ist eine Ermahnung (80:11)
Siehe 80:1
; so möge, wer da will, diesem eingedenk sein. (80:12)
Siehe 80:1
(Es ist eine Ermahnung) auf geehrten Seiten (80:13)
80:13-16 – Der Qur’an, der die göttlichen Normen und Gebote für die Menschheit enthält – und dazu gehören solche oben in 80:1-12, ist auf geehrten Seiten niedergeschrieben, die vor jeglicher Fälschung geschützt sind.
; sie sind emporgehoben, rein (80:14)
Siehe 80:13
in den Händen rechtschaffener Sendboten (80:15)
Siehe 80:13
, die edel und tugendhaft sind. (80:16)
Siehe 80:13
Verderben auf den Menschen! Wie undankbar ist er! (80:17)
80:17 – Diese Worte bilden im sprachlichen Sinne einen Ausdruck der Missbilligung, wie z.B.: “pfui, schäm dich”. Derjenige Mensch wird hier deshalb getadelt, weil er seinem Herrn, Der ihn erschaffen hat, keine demütige Dankbarkeit entgegengebracht hat, und das bedeutet für ihn ein Verderb, sowohl im Diesseits als auch im Jenseits.
Woraus hat Er ihn erschaffen? (80:18)
80:18 – Hat dieser Mensch, der sich gegen seinen Herrn auflehnt, einmal gedacht, woraus er erschaffen wurde? (vgl. 16:3-4 und die Anmerkung dazu).
Aus einem Samentropfen hat Er ihn erschaffen und gebildet. (80:19)
80:19 – Sein Ursprung (s. oben 80:18) war ein Samentropfen, aus dem er zustande kam und von dem er in seinen Entwicklungsphasen andere Gestalt bekam.
Dann hat Er ihm den Weg leicht gemacht. (80:20)
80:20 – Allah (t) hat ihn aus dem “Gefängnis” im Leib seiner Mutter zu einem bestimmten Zeitpunkt befreit und seinen Weg nach außen so leicht gemacht, dass er später ganz allein seine Nahrung und Trank nimmt. Ferner, dass er sich zu einem Wesen entwickelt hat, das hört, sieht und denkt. (vgl. 16:3-4 und die Anmerkung dazu).
Dann lässt Er ihn sterben und lässt ihn ins Grab bringen. (80:21)
80:21-23 – Wir Menschen halten es für zu schade, wenn ein schönes Werk vernichtet wird. Hängen die Malereien von berühmten Künstlern mit ihrem unbezahlbaren Wert nicht in Museen, bewacht und mit Millionen von Geldsummen versichert? Das Geschöpf Mensch mit seinen wunderbaren Fähigkeiten und mit seiner schönen Gestalt wäre eigentlich zu schade, um zu sterben und unter die Erde gebracht zu werden. Bei Allah aber sieht diese Sache ganz anderes aus: Er lässt den Menschen sterben, ins Grab bringen, und am Tage der Auferstehung bringt Er ihn – wie er war – als Ganzes heraus. Hier dann steht er wieder vor seinem Herrn, um zu rechtfertigen, warum er in seinem irdischen Leben die Gebote seines Herrn nicht befolgt hatte.
Dann, wenn Er will, erweckt Er ihn wieder. (80:22)
Siehe 80:21
Nein! Wahrlich, er hat nicht getan, was Er ihm geboten hat. (80:23)
Siehe 80:21
So soll der Mensch doch seine Nahrung betrachten. (80:24)
80:24-25 – Um den Weg zum Glauben leicht zu machen erklärt Allah (t) uns hier, wie wir dies tun: Wir sollen unsere Nahrung betrachten und an das Wasser denken, das in Fülle aus den Regenwolken herabkommt. Davon kommt unsere Versorgung und die unserer Viehherden. (vgl. dazu unten 80:26-32).
Siehe, Wir gossen das Wasser in Fülle aus. (80:25)
Siehe 80:24
Alsdann spalteten Wir die Erde in wunderbarer Weise (80:26)
80:26-32 – Hier ist an das Aufspalten der Erde durch die keimenden Pflanzen, möglicherweise aber auch an ihr Aufspalten durch das Pflügen mit Rindern gedacht. Allah (t) schreibt Sich das Aufspalten in solcher Weise Selbst zu, wie man eine Handlung ihrer Ursache zuschreibt. Von Abu Bakr, dem Wahrheitsliebenden ist überliefert, dass er nach der Bedeutung von “Abb” gefragt wurde. Darauf sagte er: Welcher Himmel wird mich beschirmen und welche Erde mich tragen, wenn ich sage, dass es in der Schrift Allahs etwas gibt, das ich nicht kenne? Von ‘Umar ist überliefert, dass er diesen Vers rezitierte und sagte: ”Das alles kennen wir. Aber was ist “Abb”?“ Dann warf er einen Stock weg, den er in der Hand hatte, und sprach: ”Bei Allah, Dem Ewigen! Das ist Künstelei. Was soll es dir schon ausmachen, Sohn der Mutter ‘Umars, wenn du nicht weißt, was “Abb” ist?“ Und er setzte hinzu: ”Folgt dem, was euch in dieser Schrift klar ist, und lasst beiseite, was nicht klar ist!“ Man kann nun sagen: Dies sieht aus, als sei es verboten, den Sinngehalten des Qur’an nachzugehen und seine unerklärlichen Stellen zu untersuchen. Darauf antworte ich (Zam): Das hat ‘Umar nicht gemeint. Aber die Leute hatten damals ihre Hauptsorge auf das Handeln gerichtet, während ihnen die Beschäftigung mit Wissenschaftlichem, das nicht der Praxis diente, als eine Künstelei galt. ‘Umar hat gemeint, dass dieser Vers vorgebracht worden ist, weil dem Menschen die Gnade der Nahrung gewährt wird und er zur Dankbarkeit aufgerufen ist. Dabei wusste ‘Umar aus dem Sinnzusammenhang des Verses, dass “Abb” etwas ist, das der Mensch für seine Lebensbedürfnisse oder für sein Weidevieh anpflanzt. Er wollte sagen: Man beschäftige sich bei den hier aufgezählten Wohltaten Allahs vorerst mit denjenigen, die in stärkerem Maße die Dankbarkeit gegenüber Allah erwecken, soweit sie einem klar und nicht unverständlich sind. Und man lasse sich davon nicht durch die Frage nach der Bedeutung von “Abb” und der Kenntnis bestimmter Pflanzen abbringen, die diesen Namen tragen. Man begnüge sich zunächst mit der angemessenen Kenntnis, bis einem dieses Wort zu anderer Zeit klar wird. Sodann hat ‘Umar den Menschen anempfohlen, diese Regel auch bei anderen ähnlich unklaren Stellen des Qur’an zu beobachten. (Zam, Gät)
und ließen Korn in ihr wachsen (80:27)
Siehe 80:26
und Reben und Gezweig (80:28)
Siehe 80:26
und Ölbäume und Palmen (80:29)
Siehe 80:26
und dicht bepflanzte Gartengehege (80:30)
Siehe 80:26
und Obst und Futtergras (80:31)
Siehe 80:26
als Versorgung für euch und euer Vieh. (80:32)
Siehe 80:26
Doch wenn das betäubende Getöse kommt (80:33)
80:33-41 – Das betäubende Getöse ist die Vorankündigung des Weltuntergangs. An diesem Tag herrscht gewaltiges Schrecken, dass die normale Beziehungen und Bindungen unter Menschen verschwinden. Selbst die nahen Verwandten, wie z.B. teurer Bruder, geschätzte Mutter, geliebte Ehefrau und Kinder, gehören zu denjenigen, die der Mensch verlässt, um sich selbst zu kümmern. Dies ist so, weil jeder an sich denkt und sich mit seinem Schicksal beschäftigt. Durch den Gesichtseindruck ist die Lage der Menschen zwischen Glückseligkeit und Elend zu erkennen.
am Tage, da der Mensch seinen Bruder fluchtartig verlässt (80:34)
Siehe 80:33
sowie seine Mutter und seinen Vater (80:35)
Siehe 80:33
und seine Frau und seine Söhne (80:36)
Siehe 80:33
, an jenem Tage wird jeder eigene Sorgen genug haben, die ihn beschäftigen. (80:37)
Siehe 80:33
An jenem Tage werden manche Gesichter strahlend sein (80:38)
Siehe 80:33
, heiter und freudig. (80:39)
Siehe 80:33
Und andere Gesichter, an jenem Tage, werden staubbedeckt sein. (80:40)
Siehe 80:33
Trübung wird darauf liegen. (80:41)
Siehe 80:33
Das sind die Ungläubigen, die Unverschämten. (80:42)
80:42 – Mit diesen knappen Worten über die Beschreibung der Ungläubigen, der Unverschämten, endet diese gewaltige Sura mit ihrer Belehrung über göttliche Normen. Zu diesem Schluss bringt Allah (t) Seine Missbilligung über das Verhalten der Schuldigen zum Ausdruck. Gepriesen sei der Allmächtige Gott, Herr der Himmel und Erde.