Einleitung
Suche keinen Schutz bei den Feinden des Islam, aber verfahre mit allen gerecht. Folge dem Beispiel Abrahams. Gläubige Frauen dürfen keine ungläubigen Männer heiraten; aber die gläubigen Frauen, die deinen Schutz suchen und in ihrem Glauben aufrichtig sind, dürfen verheiratet werden.

O ihr, die ihr glaubt, nehmt euch nicht Meine Feinde und eure Feinde zu Beschützern, indem ihr ihnen Zuneigung gutmütig zeigt, wo sie doch die Wahrheit leugnen, die zu euch gekommen ist, und den Gesandten und euch selbst austreiben, weil ihr an Allah, euren Herrn, glaubt. Wenn ihr zum Kampf für Meine Sache und im Trachten nach Meinem Wohlgefallen ausgezogen seid, gebt ihr ihnen insgeheim Zuneigung zu verstehen, während Ich doch am besten weiß, was ihr verbergt und was ihr kundtut. Und der, der von euch das tut, ist sicherlich vom geraden Weg abgeirrt. (60:1)
60:1-3 – Allah (t) ruft damit die Gläubigen zu einer bestimmten Verhaltensweise auf, die ganz verständlich ist. Den Feind zum Beschützer zu nehmen ist keine würdige Sache für diejenigen, die an Allah glauben und unter Seinem Schutz stehen. Aus der Sunna des Propheten (a.s.s.) haben wir gelernt, dass wir Muslime das lieben, was Allah und Sein Prophet lieben und dass wir das hassen, was Allah und Sein Prophet hassen. Allah (t) liebt Seine Feinde nicht, und so dürfen wir sie nicht lieben und darüber hinaus nicht zu Beschützern nehmen. In der Hadith-Sammlung von Al-Bucharyy (s. Geschichtsteil) wird ein Ereignis aufgeführt, das der direkte Anlass zur Offenbarung dieser Sura sein soll. Dieses Ereignis wird ebenfalls in der Hadith-Sammlung von Muslim beschrieben. Dort heißt es: Der Prophet bereitete insgeheim die Eroberung von Makka vor, nachdem die makkanischen Götzendiener das Abkommen von Al-Hudaibiyya gebrochen hatten. Nur wenige Gefährten wussten von seiner Absicht, darunter der makkanische Auswanderer und Badr-Kämpfer Hatib Ibn Abi Balta‘a. Er schrieb einen Brief, in dem er die Absicht des Propheten den Makkanern preisgab, und gab ihn einer makkanischen Frau mit, die in Al-Madina um Unterstützung nachsuchte. Der Prophet (a.s.s.), der in einem Bittgebet Allah (t) bat, Er möge seine Absicht den Makkanern nicht bekannt werden lassen, erhielt von Allah Kunde über diesen Brief. Daraufhin sandte er drei muslimische Reiter hinter der Frau her. Sie holten sie ein an der Stelle, die der Prophet ihnen beschrieben hatte, und verlangten von ihr die Abgabe des Briefes. Als sie erklärte, sie habe keinen Brief mit, drohten ihr die Reiter – vollbewusst über die zuverlässigen Angaben des Propheten (a.s.s.) – an, sie mit eigenen Händen zu entblößen und durchzusuchen. Darauf holte sie den Brief aus einem Versteck unter ihrer Kleidung heraus und gab ihn ihnen ab. Sie brachten ihn dann dem Propheten zurück. Als ‘Umar von diesem Ereignis erfuhr, sagte er zum Propheten: ”Dieser Mann hat einen Verrat begangen, so lass mich ihn töten!“ Der Prophet fragte Hatib, was ihn dazu bewegt habe, worauf Hatib antwortete: ”An meinem Glauben an Allah und Seinen Gesandten hat sich nichts geändert. Ich wollte nur den Makkanern eine Wohltat erweisen und hoffte, dass Allah sie durch diese Wohltat veranlasst, meine Angehörigen in Makka nicht zu verfolgen. Deine Gefährten haben alle in Makka Verwandte, durch die Allah die schlimmsten Verfolgungen ihrer muslimischen Angehörigen in Makka abwendet.“ Der Prophet sagte darauf: ”Er hat die Wahrheit gesagt. Ihr sollt nur Gutes sprechen.“ ‘Umar aber sagte wiederholend: ”Er hat Verrat begangen, so lass mich ihn töten!“ Der Prophet erwiderte: ”Du weißt nicht; denn es kann sein, dass Allah Sich den Gefährten von Badr offenbarte und zu ihnen sprach: Tut was ihr wollt, Ich habe euch eure Sünden vergeben.“ ‘Umar brach in Tränen aus und sagte: ”Allah und Sein Gesandter wissen es besser.“ Die Gläubigen wurden immer anhand von Ereignissen wirkungsvoll belehrt, wie sie sich richtig verhalten sollten, und wie sie die Gefahren von der muslimischen Gemeinde abwenden konnten. Dies war die Position der muslimischen Gemeinschaft in Al-Madina nach der Auswanderung und vor der Einnahme Makkas. Über den historischen Rahmen hinaus bezieht sich dies auf die mögliche Verfolgung Gläubiger zu allen Orten und Zeiten. (ÜB) (vgl. dazu 58:22; 70:11-14; 80:34-37; ferner den Titel: “Muhammad, Prophet der Barmherzigkeit”, Islamische Bibliothek).

Wenn sie die Oberhand über euch gewinnen, dann werden sie sich gegen euch als Feinde betragen und ihre Hände und Zungen zum Bösen gegen euch ausstrecken; und sie wünschen inständig, dass ihr ungläubig würdet. (60:2)
Siehe 60:1

Weder eure Blutsverwandtschaft noch eure Kinder werden euch nützen. Er wird zwischen euch am Tage der Auferstehung entscheiden. Und Allah sieht alles, was ihr tut. (60:3)
Siehe 60:1

Ihr habt bereits ein vortreffliches Beispiel an Abraham und denen mit ihm, als sie zu ihrem Volk sagten: ”Wir haben nichts mit euch noch mit dem zu schaffen, was ihr statt Allah anbetet. Wir verwerfen euch. Und zwischen uns und euch ist offenbar für immer Feindschaft und Hass entstanden, (solange) bis ihr an Allah glaubt und an Ihn allein!“ – abgesehen von Abrahams Wort zu seinem Vater: ”Ich will gewiss für dich um Verzeihung bitten, obwohl ich nicht die Macht dazu habe, bei Allah für dich etwas auszurichten.“ (Sie beteten:) ”Unser Herr, in Dich setzen wir unser Vertrauen, und zu Dir kehren wir reumütig zurück, und zu Dir ist die letzte Einkehr. (60:4)
60:4-6 – Nach Seinem Gebot in 60:1-3 (s. oben und die Anmerkung dazu) gibt Allah (t) ein vortreffliches Beispiel an Abraham, um uns Muslimen die Treue zu Ihm in ihrer höchsten Form zu demonstrieren. (vgl. den Titel: “Allahs Friede auf Ibrahim” [s.u.: “Ibrahim im Qur’an”], Islamische Bibliothek). (vgl. ferner 2:102, 256; 8:25; 9:114, 144; 10:85; 19:47-48; 26:69-77; 33:21 und die Anmerkung dazu).

Unser Herr, mache uns nicht zu einer Versuchung für die Ungläubigen und vergib uns, unser Herr; denn Du, und Du allein, bist der Erhabene, der Allweise.“ (60:5)
Siehe 60:4

Wahrlich, ihr habt an ihnen ein vortreffliches Beispiel (und so) ein jeder, der auf Allah hofft und den Jüngsten Tag fürchtet. Und wer sich abwendet – wahrlich, Allah ist es, Der auf keinen angewiesen ist, Der des Lobes Würdig ist. (60:6)
Siehe 60:4

Vielleicht wird Allah Zuneigung setzen zwischen euch und denen unter ihnen, mit denen ihr in Feindschaft lebt; denn Allah ist Allmächtig und Allah ist Allverzeihend, Barmherzig. (60:7)
60:7-8 – Allah (t) weiß, wie schwer es ist, die Beziehungen zu Brüdern, Schwestern und anderen nahen Verwandten abzubrechen. Darum tröstet Er hier die Gläubigen mit der Hoffnung, dass eben diese Angehörigen eines Tages Muslime werden und sich die gegenwärtige Feindschaft wieder in Freundschaft wandelt. Niemand konnte damals verstehen, wie das möglich sein könnte. Aber nur wenige Wochen nach der Offenbarung dieses Verses wurde Makka eingenommen, und die Banu Quraisch schlossen sich scharenweise dem Islam an, so dass die Muslime mit eigenen Augen die Erfüllung dieser Verheißung erleben konnten. (ÜB)

Allah verbietet euch nicht, gegen jene, die euch nicht des Glaubens wegen bekämpft haben und euch nicht aus euren Häusern vertrieben haben, gütig zu sein und redlich mit ihnen zu verfahren; wahrlich, Allah liebt die Gerechten. (60:8)
Siehe 60:7

Doch Allah verbietet euch, mit denen, die euch des Glaubens wegen bekämpft haben und euch aus euren Häusern vertrieben und (anderen) geholfen haben, euch zu vertreiben, Freundschaft zu schließen. Und wer mit ihnen Freundschaft schließt – das sind die Missetäter. (60:9)
60:9 – Friedliches Zusammenleben ist die grundsätzliche Regel in den Beziehungen des islamischen Staates mit andern Staaten. Dieser Zustand endet nur, wenn der islamische Staat militärisch angegriffen wird, und wenn die Befürchtung besteht, dass ein Friedensabkommen von der gegnerischen Seite gebrochen wird, was an sich eine Angriffsdrohung darstellt, oder wenn die freie Ausübung des Glaubens mit Gewalt unterbunden wird, was einen Angriff auf die Menschenrechte darstellt. Der Muslim streitet nicht um eigene Interessen und kämpft nie aufgrund von Rassismus oder Nationalismus, Stammes- oder Familienfehden. Er kämpft, nur damit das Wort Allahs Oberhand gewinnt. (ÜB) (vgl. 9:5, 23-24; 58:22 und die Anmerkung dazu).

O ihr, die ihr glaubt, wenn gläubige Frauen als Flüchtlinge zu euch kommen, so prüft sie. Allah weiß am besten, wie ihr Glaube in Wirklichkeit ist. Wenn ihr sie dann gläubig findet, so schickt sie nicht zu den Ungläubigen zurück. Diese (Frauen) sind ihnen nicht erlaubt, noch sind sie (als Ehemänner) diesen (Frauen) erlaubt. Jedoch zahlt (ihren ungläubigen Ehemännern) das zurück, was sie (für sie) ausgegeben haben. Und es ist keine Sünde für euch, sie zu heiraten, wenn ihr ihnen ihre Brautgabe gegeben habt. Und haltet nicht am Ehebund mit den ungläubigen Frauen fest, sondern verlangt das zurück, was ihr (für sie) ausgegeben habt, und lasst (die Ungläubigen) das zurückverlangen, was sie (für sie) ausgegeben haben. Das ist Allahs Gebot. Er richtet zwischen euch. Und Allah ist Allwissend, Allweise. (60:10)
60:10 – Nach den Bedingungen des Vertrages von Al-Hudaibiyya (vgl. dazu Sura 48) mussten Frauen, die unter Vormundschaft standen, sowie verheiratete Frauen, die von den Banu Quraisch in Makka in den Schutz des Propheten nach Al-Madina flohen, zurückgeschickt werden. Aber bevor dieser Vers offenbart wurde, hatten die Banu Quraisch bereits den Vertrag gebrochen, und es waren neue Anweisungen nötig, wie sich die Muslime unter diesen Umständen verhalten sollten. Muslimische Frauen, die in Makka mit Götzendienern verheiratet waren, wurden ihres Glaubens wegen unterdrückt, und einige wanderten nach Al-Madina aus. Nach dieser Offenbarung sollten sie nicht zurückgeschickt werden; denn die Ehe gläubiger Frauen mit ungläubigen Männern wurde als aufgelöst betrachtet, wenn die Männer nicht den Islam annahmen. Um den Götzendienern aber nicht den Eindruck zu geben, sie würden unfair behandelt, da sie die bei der Heirat gezahlte Brautgabe verloren, sollte diese den Ehemännern zurückerstattet werden. Auf diese Weise sollten die hilflosen Frauen auf Kosten der Muslime geschützt werden. Zunächst hatte sich der Prophet geweigert, verheiratete Frauen nach Makka zurückzuschicken, die den Islam angenommen hatten und gegen den Willen ihrer heidnischen Ehemänner nach Al-Madina ausgewandert waren, mit der Begründung, dass sich verheiratete muslimische Frauen nicht unter der Herrschaft ihrer nichtmuslimischen Männer befanden, wie es der Auffassung der Banu Quraisch entsprach. Da jedoch immer die Möglichkeit bestand, dass einige dieser Frauen nicht aus Glaubensgründen, sondern aus rein weltlichen Gründen zum Propheten übergingen, werden hier die Muslime aufgefordert, sich ihrer Aufrichtigkeit zu vergewissern. Deswegen verlangte der Prophet von ihnen, unter Eid zu bekräftigen, dass sie sich nicht aus Hass oder Abenteuerlust oder um irdischer Vorteile willen von ihren Männern getrennt hatten, sondern allein aus Liebe zu Allah und Seinem Gesandten.

Und wenn irgendeine von euren Frauen von euch zu den Ungläubigen fortgeht, dann gebt, wenn ihr (bei den Ungläubigen) Beute macht, jenen (Gläubigen), deren Frauen fortgegangen sind, das gleiche von dem, was sie (für ihre Frauen) ausgegeben haben. Und fürchtet Allah, an Den ihr glaubt. (60:11)
60:11 – In der Anfangszeit des Islam hatten sich oft Männer dem Islam angeschlossen, deren Frauen ungläubig blieben, und Frauen, deren Männer ungläubig blieben. So war beispielsweise Abul-‘As – der Ehemann der Prophetentochter Zainab – auf Jahre hinaus kein Muslim, so dass muslimische Frauen auswanderten, während ihre heidnischen Männer zurückblieben, und muslimische Männer, deren heidnische Frauen zurückblieben, während die Ehe bestehen blieb. Damit entstanden Probleme für die Frauen; denn während die Männer andere Frauen heiraten konnten, war dies für Frauen nicht möglich. Sie konnten nicht heiraten, solange die Ehe mit ihrem Mann nicht aufgelöst war. Als nach dem Friedensvertrag von Al-Hudaibiyya dieser Vers offenbart wurde, wurden solche Ehen annulliert. Zahlreiche familienrechtliche Regelungen werden von diesem Vers abgeleitet. (ÜB) (vgl. dazu 2:229).
60:11 – Da in der Regel ohnehin nicht zu erwarten ist, dass die Ungläubigen verlassene muslimische Ehemänner entschädigen, ist die muslimische Gemeinschaft selbst verpflichtet, dies zu tun. In der Tat gab es nur sechs solche Fälle von Apostasie zu Lebzeiten des Propheten (a.s.s.), die sich vor der Einnahme von Makka im Jahre 8 nach der Hidschra ereignet hatten, und in jedem Falle wurde der muslimische Ehemann nach Anordnung des Propheten aus der gemeinsamen Kasse für seine Aufwendung entschädigt. (ÜB)

O Prophet! Wenn gläubige Frauen zu dir kommen und dir den Treueeid leisten, dass sie Allah nichts zur Seite stellen, und dass sie weder stehlen noch Unzucht begehen, noch ihre Kinder töten, noch Untreue begehen zwischen ihren Händen und Beinen, die sie selbst ersonnen haben, noch dir ungehorsam sein werden in dem, was rechtens ist, dann nimm ihren Treueeid an und bitte Allah um Vergebung für sie. Wahrlich, Allah ist Allvergebend, Barmherzig. (60:12)
60:12 – Über die Normentreue gegenüber dem Propheten (a.s.s.) werden bei Al-Bucharyy folgende Hadithe überliefert: Yazid Ibn Abi ‘Ubaid berichtete: ”Ich fragte Salama: »Für was habt ihr dem Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, am Tage der Al-Hudaibiyya den Treueeid geleistet?« Er sagte: »Für den Tod!«“ Dscharir Ibn ‘Abdullah berichtete: ”Ich leistete dem Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, den Treueschwur für die Verrichtung des Gebets, die Entrichtung der Zakah und die Aufrichtigkeit gegenüber jedem Muslim.“ ‘Ubada Ibn As Samit berichtete: ”Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte zu uns in einer Versammlung: »Leistet mir den Treueschwur, dass ihr Allah weder etwas zur Seite stellt noch stehlt noch Unzucht begeht, noch eure Kinder tötet noch Schändlichkeiten durch eure Hände und Beine begeht und dass ihr euch bezüglich der guten Werke nicht ungehorsam verhaltet. Wer von euch dies erfüllt, der hat seinen Lohn von Allah zu erwarten; und wer immer etwas davon begeht und dafür eine Strafe in dieser Welt erleidet, so gilt diese als eine Sühne dafür. Begeht einer aber eine Tat davon und wird von Allah vor der Öffentlichkeit geschützt, so ist das Urteil bei Allah: Wenn Er will, bestraft Er ihn, und wenn Er will, vergibt Er ihm.« So haben wir ihm aufgrund dessen den Treueschwur geleistet.“ (vgl. dazu 6:151).

O ihr, die ihr glaubt, schließt keine Freundschaft mit einem Volk, dem Allah zürnt; denn sie haben die Hoffnung auf das Jenseits gerade so aufgegeben, wie die Ungläubigen die Hoffnung auf die Wiederbelebung derer aufgegeben haben, die in den Gräbern liegen. (60:13)
60:13 – Mit diesen Worten kommt der Qur’an zum Thema zurück, mit dem er die Sura begonnen hat, und schließt sie eindrucksvoll ab. (vgl. dazu 58:14).