Als Muhammad fünfunddreißig Jahre alt war, entschlossen sich die Quraisch, die Al-Kaba neu zu errichten.
Sie planten, sie mit einem Dach zu versehen, fürchteten sich aber davor, sie zu zerstören. Sie war ein ohne Mörtel errichteter Steinbau und etwas mehr als mannshoch. Man wollte sie nun höher bauen und ein Dach darüberbreiten. Aus der Al-Kaba war nämlich ein Schatz gestohlen worden, der sich in ihrer Mitte in einem Brunnen befand. Der Schatz wurde später bei einem Freigelassenen aus dem Stamm Banu Chuzaa gefunden, und die Quraisch schlugen ihm dafür die Hand ab.
Nun war bei Dschidda das Schiff eines byzantinischen Kaufmannes gestrandet und zerschellt. Sie nahmen das Holz und richteten es zum Decken der Al-Kaba her. In Makka gab es auch einen koptischen Zimmermann, und so war schon einiges, was sie zur Restaurierung brauchten, bereit.
Indes da war noch die Schlange, die aus dem Brunnen der Al-Kaba, in den man täglich die Opfergaben warf, herauszukriechen pflegte, um sich auf der Mauer des Gebäudes zu sonnen. Sie war eines der Dinge, wovor sie Angst hatten; denn keiner konnte sich ihr nähern, ohne dass sie ihren Kopf hob, zischte und ihr Maul aufsperrte. Als sie sich nun eines Tages auf der Mauer der Al-Kaba wie gewöhnlich sonnte, schickte Allah einen Vogel, der sie packte und mit ihr davonflog.
Da sprachen die Quraisch: Lasst uns hoffen, dass Allah unser Vorhaben billigt! Wir haben einen befreundeten Handwerker, haben Holz, und Allah hat uns von der Schlange befreit.
Nachdem man sich nun dazu entschlossen hatte, die Al-Kaba abzureißen und neu aufzubauen, erhob sich Abu Wahb von der Sippe Banu Machzum und entfernte den ersten Stein, doch entfiel dieser seiner Hand und kehrte an seinen Platz zurück. Da sprach er: Männer der Quraisch, bringt in dieses Gebäude nicht unrecht erworbenes Gut, nicht den Lohn der Hure, nicht das Geld des Wucherers und nichts, was ihr erzwungen habt!
Sodann teilte man die Arbeit an der Al-Kaba unter die großen Stämme der Quraisch auf. Die Seite des Tores erhielten die Abdmanaf und Zuhra, die Seite zwischen der Ecke des schwarzen Steines und der Süd-Ecke die Banu Machzum und die ihnen angeschlossenen quraischitischen Stämme, die Rückseite die Stämme Banu Dschumah und Banu Sahm und die Seite des Hatim die Banu Abduddar, Asad und Adyy.
Doch dann bekamen sie wieder Angst davor, die Al-Kaba zu zerstören. Da sprach Al-Walid Ibn Al-Mugira: Ich will als erster mit der Zerstörung beginnen, und er ergriff seine Spitzhacke, wandte sich der Al-Kaba zu und rief: Bei Allah, erschrecke nicht! Bei Allah, wir wollen nur das Beste! Dann zerstörte er einen Teil an der Seite der beiden Ecken. In der Nacht wartete man ängstlich und sprach: Wir wollen sehen! Wenn Al-Walid etwas zustößt, reißen wir die Al-Kaba nicht weiter ein, sondern legen alles wieder so zurück, wie es war. Geschieht ihm nichts, so billigt Allah unser Tun.
Am nächsten Morgen machte sich Al-Walid wieder an die Arbeit und mit ihm die anderen, bis sie die Grundmauer des Propheten Ibrahim erreichten und auf eng aneinander liegende grüne Steine stießen, Kamelhöckern gleich. Dann trugen die quraischitischen Stämme Steine herbei, um die Al-Kaba neu zu errichten, jeder Stamm für sich. Sie begannen zu bauen, bis sie auf die Höhe des Schwarzen Steines kamen und in Streit gerieten. Jeder Stamm wollte nämlich, dass nur er den Stein an seinen Platz lege. Schließlich bildeten sie Parteien, schlossen Bündnisse und rüsteten zum Kampf.
Die Abduddar brachten eine Schale mit Blut, verbündeten sich auf den Tod mit den Adyy und tauchten darauf ihre Hände in das Blut, weshalb man sie fortan die Blutlecker nannte. So blieb es vier oder fünf Tage. Dann versammelten sich die Quraisch an der Al-Kaba und berieten miteinander, blieben aber in zwei Lager gespalten. Schließlich hat Abu Umayya Ibn Al-Mugira, damals der älteste unter den Quraisch, das Wort ergriffen: Männer von Quraisch! Lasst den ersten, der durch das Tor zu uns hereintritt, in euerem Streit entscheiden. Sie waren damit einverstanden.
Der erste, der hereinkam, war Muhammad. Als sie ihn sahen, riefen sie: Al-Amin (der Treue) ! Mit ihm sind wir einverstanden! Dies ist Muhammad! Nachdem sie ihm alles erklärt hatten, bat er sie, ihm ein Tuch zu bringen. Mit eigener Hand legte er den Schwarzen Stein in dieses hinein und forderte einen jeden Stamm auf, jeweils an einem Zipfel des Tuches anzufassen und den Stein gemeinsam hochzuheben.
So geschah es, und als sie ihn auf die richtige Höhe gehoben hatten, legte Muhammad selbst den Schwarzen Stein an seinen Platz.
Dann bauten sie zufrieden darüber weiter.
Zur Zeit des Propheten war die Al-Kaba achtzehn Ellen hoch und zunächst mit weißem ägyptischem, dann mit jemenitischem Stoff bedeckt.
Al-Hadschdschadsch Ibn Yusuf ließ sie später als erster mit Seidenbrokat verhüllen. (Rtt)